Grußwort von Hans-Joachim Otto, MdB, Vorsitzender des Ausschusses Kultur und Medien zur Ausstellungseröffnung: Bundestagslandschaften, 2009
Der Deutsche Bundestag ist ein Ort voller Kunstwerke! Manche davon sieht man bereits, wenn man an den Liegenschaften rund um die Spree vorübergeht. So zum Beispiel die Arbeit „Mann auf der Leiter“ von Neo Rauch an der Ostseite des Paul-Löbe-Hauses. Sie ist Bestandteil der umfangreichen Kunstsammlung des Deutschen Bundestages. Es gibt jedoch auch eine ganze Menge an künstlerischen und kulturellen Aktivitäten, die auf den ersten Blick eher verborgen bleiben, die aber dennoch gleichsam bemerkenswert sind. Heute Abend sind gleich zwei dieser Aktivitäten hier vertreten: Der Chor des Deutschen Bundestages und der Künstler Siegfried Knittel.
Siegfried Knittel ist seit 1999 im Plenarassistenzdienst des Deutschen Bundestages beschäftigt. Offiziell gehört er dem Referat „ZT 4/12“ an. Siegfried Knittel ist aber auch der Begründer der Gruppe „Kunst intern“ der Beschäftigten des Deutschen Bundestags. „Kunst intern“ ist eine Gruppe bildender Künstlerinnen und Künstler, die im Deutschen Bundestag in unterschiedlichen Bereichen der Verwaltung, bei Abgeordneten und Fraktionen beschäftigt sind. Neben der jeweils individuellen stilistischen Ausrichtung, versucht die Künstlergruppe auch ihr spezifisches Umfeld zu Themen von Gesellschaft und Politik in ihren Arbeiten zu reflektieren. Bei den heute hier ausgestellten Werken ist das offensichtlich! Seit der Gründung im Jahr 2001 konnte die Gruppe bereits zahlreiche Gruppenausstellungen realisieren. Die künstlerischen Arbeite von Siegfried Knittel wurden darüber hinaus auch schon bei mehreren Einzelausstellungen in Bonn und Berlin gezeigt. Dass die künstlerischen Aktivitäten von Siegfried Knittel jetzt ein weiteres Mal für die Öffentlichkeit zu sehen sind, ist auch dem Sponsor dieser Ausstellung zu verdanken, der „Hamburgischen Immobilien Handlung“, die diese schönen Räume mietfrei zur Verfügung stellt. Ihnen ist an dieser Stelle ausdrücklich zu danken!
Der Titel der heute zu eröffnenden Ausstellung lautet „Bundestags-Landschaften“. So einfach und treffend dieser Titel auf den ersten Blick scheinen mag, so verbirgt sich dahinter doch mehr. Der Begriff „Landschaften“ meint hier in meinen Augen in der Tat mehr als die bloße Bezeichnung eines Sujets, also etwa im Vergleich zu den anderen kunsthistorischen Gattungen wie dem Portrait, dem Stillleben und so weiter. Landschaften, das sind hier nämlich nicht nur urbane Strukturen, gebaute und gestaltete Landschaft, Dächer, Mauern, Sichtachsen, Pflanzen und Bäume. Vielmehr ergibt die Art und Weise, wie Siegfried Knittel sein Thema der politisch-urbanen Baulichkeit des Regierungsviertels umsetzt, auch auf einer zweiten Ebene Landschaften: Farb-Landschaften. So löst Knittel die baulichen Strukturen nämlich auf und übersetzt diese in Farbflächen, Farbfelder. Diese Felder besitzen dann ihre ganz eigene Materialität. Diese Materialität existiert dabei unabhängig von der ursprünglichen baulichen Vorlage und ist doch durch den Transformationsprozess elementar an diese gebunden. Kurz gesagt: Bauliche Landschaft wird in den Arbeiten Siegfried Knittels zu farblicher Landschaft. Durch die Eigenständigkeit der farbliehen Darstellung ergibt sich dann jener Interpretationshorizont, der die hier gezeigten Werke so spannend macht. Denn Farbe ist in der menschlichen Wahrnehmung unmittelbar mit Emotionen geknüpft. Sie alle kennen das: Rot steht für Erregungen, im Guten wie im schlechten Sinne; Blau für Entspannung und Ruhe und so weiter. Farb-Landschaften werden dann also wiederum zu Emotions-Landschaften Es kann somit ein kognitiver Dreischritt festgehalten werden: bauliche Landschaft wird zu farblicher Landschaft und diese z emotionaler Landschaft. Dabei drängt sich dann die Frage auf, wo eigentlich die Quelle dieser Emotion liegt? Sind es die Bauten selbst, die diese Emotionen ausstrahlen? Sind die Farbfelder also, Ausdruck der Hektik, der Hitze und des Streits, der unter den Dächern der Parlamentsgebäude durchaus mal seinen Lauf nehmen kann? Oder im anderen Extrem der Ruhe und Kontinuität, die ebenso mit dem Parlament verwoben sind? Oder sind die Farbfelder vielleicht Ausdruck der an diese Gebäude und ihrer Symbolik von außen herangetragenen Emotionen? Sind es also die Ausdrücke der Gedanken und Gefühle, die der Betrachter diesen Bauten verbindet? Oder ist es, als‘ dritte Variante, das Umfeld, das auf die dargestellten Gebäude Einfluss nimmt und mit diesen in Wechselwirkung steht. So wenig, wie man diese Fragen eindeutig beantworten, kann -denn dann würde es sich hier ja auch nicht um künstlerische Werke handeln -so wenig können die Werke eindeutig einer Bildrichtung zugeordnet werden. Sie sind weder impressionistisch noch expressionistisch. Auch sind auf keinen Fall der Pop-Art zuzuschreiben, wie ein oberflächlicher Blick vielleicht vermuten ließe. Viel mehr besitzen sie eine ganz eigene Qualität. Es könnte noch viel gesagt werden über Siegfried Knittel und sein Werk. Doch wie langweilig ist es, über Kunst zu reden, wenn Sie sie auch selbst entdecken können! Dazu möchte ich Sie jetzt alle nachdrücklich auffordern!
Ich bedanke mich deshalb ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und Wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Besichtigung der Ausstellung!